Stratosphärenflug

Position 50°53’26.3″N 9°31’03.6″E 30.000m ASL
Sonde: „Peter 1“

So, was mache ich hier eigentlich? Im Internet stieß ich auf diese Aufnahmen von Schulklassen und Privatpersonen. Das kann ich doch sicher auch. Nur wie?
Als kleiner Junge wollte ich unter anderem gerne Astronaut sein. Meine Begabungen fand ich in einem anderen Bereich. Aber dies war ein Weg, diesem Kindheitstraum näher zu kommen.
Mit Kamerasonde und Wetterballon?

Vorbetrachtung

Berechnung der Sichtweite

Große Wetterballons fliegen bis ca, 30.000m über dem Meer. Was also würde ich sehen können?
Die Berechnung war ungeheuer einfach mit Trogonometrie und Satz des Pythagoras

Flughöhe in m = x
=> Sichtweite in km = wurzel((6370000m+x)²-6370000m²)/1000
=> überblicker Erdboden = arcsin( wurzel((wurzel((6370000m+x)²-6370000m²)/1000)²-(x/1000)²) /6370) * 6370

Bei einer Flughöhe von 30.000m sind das 619,2km bzw. 3890,5m²

Sichtradius

Derweil führe ich auch gleich eine Simulation durch. Mal schaun, was Earth mir auf 30.000m Sichthöhe zeigt..

Simulation Sonnenaufgang

Die Temperaturen dort oben betragen zwischen -40°C und -60°C. Zur Isolation reicht nach verschiedenen Angaben eine Styroporbox.

Was brauch ich eigentlich alles?

Ich will eine Sonde aus Styropor bauen. => Styropor, Tape, etc.
Ich will Bildmaterial haben. => GoPro + Große Speicherkarte + Maxi-Akku
Ich will das Ganze in die Stratosphäre schicken => Wetterballon + Helium
Ich will, dass es wieder herunter kommt => Fallschirm
Ich will es wiederfinden => GPS-Sender (oder vllt ein ausrangiertes Smartphone?)
vielleicht kann ich mit einem Smartphone noch mehr interessante Daten erfassen.. mal sehn.
Ich will gewisse Daten mit Uhrzeit festhalten: Position, Höhe, Signalstärke

Ich weiss inzwischen, dass ich ca. 1l Helium auf 1g Gewicht benötige. Plus etwas mehr für genügend Auftrieb und Schwund beim befüllen (ca. ½ Traglast). Das sollen wohl 5-7m/s Steiggeschwindigkeit ergeben.
Ausgehend von 6m/s dauert der Aufstieg auf 30.000m ca. 84min.
Vielleicht bekomme ich diese Werte nachher als Journal bestätigt oder wiederlegt =)

Schätzung:
Smartphone 100g
GoPro 100g
Gehäuse 250g
Akkufach 100g
Trophäe 50g
Fallschirm 80g
Puffer 100g
Sonde 800g
Ballon 800g
Gesamt 1600g => 2000l Helium oder 2m³

Messungen

Ich möchte mit dem Smartphone ein paar Messungen durchführen.
Also jetzt schnell erstmal eine App schreiben, welche mir bestimmte Angaben in regelmäßigen Abständen ermittelt und wenn möglich übermittelt.
Den fertigen Code aufs Smartphone laden, schnell noch eine Oberfläche zum Anzeigen der empfangenen Werte gebastelt, noch nen netten Tagesausflug für den Test und fertig.
(Naja, in Wahrheit habe ich den gesamten Dezember entwickelt)

Sondenbau

Weils viel schöner ist, lade ich zur Konstruktion der Sonde meine Freunde zu einem geselligen Tag ein und da alle völlig unterschiedliche Typen sind kommen wir gemeinsam auf ein wesentlich eleganteres Ergebnis, als ich es allein gekonnt hätte.
TIPP: Es hat sich gezeigt, dass ein scharfes nach außen gebogenes Messer die besten Ergebnisse bei der Arbeit mit Styropor gezeigt hat. Die Ränder waren wesentlich glatter als bei allen andren benutzten Werzeugen.

661g. Mit einem kleinen Fallschirm komme ich auf ca. 750g.
Damit kann ich einen günstigen kleinen Ballon verwenden und brauche auch deutlich weniger Helium.

Wenn euch die Aktion gefällt, gebt mir einen Daumen nach oben oder schöner noch: schreibt mir einen Kommentar.

Rechtliches

Versicherung: Hab mich direkt mit meiner Haftpflichtversicherung in Verbindung gesetzt. In meinem Fall ist die Aktion mit abgedeckt.
Rechtsgrundlage: Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) § 20 Abs. 1:
Die folgenden Arten der Nutzung des Luftraums bedürfen im Übrigen der Erlaubnis:
Ziffer 8:
der Betrieb von unbemannten Freiballonen nach Anlage 2 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Für leichte Konstruktionen nach der Definition habe ich stark vereinfachte Bedingungen zu erfüllen. Es bleibt mir nur, die Erlaubnis vom Staat einzuholen. In meinem Fall ist das hier das Regierungspräsidium Kassel, welches mir auch sehr zuvorkommend weitergeholfe hat, eben diese rechtlichen Fragen zu klären =)

Kosten

Styroporplatten + Lfngca. 20,00€
Holzstäbeca. 5,00€
Panzertape, Styro.kleberca. 9,00€
Smartphonewar noch übrig
Akku-Packca. 4,00€
Akkusca. 7,00€
Fallschirmca. 25,00€
Wetterballonca. 100,00€
Spezialseilincl.
Handschuheca. 3,00€
Helium (3,6m³)ca. 94,00€
Füllstutzenca. 40,00€
Genehmigung100,00€
GoProca. 130,00€
2. GPS-Sender (TK102B)ca. 20,00€
SIM-Kartenca. 16,00€
32GB micro-SD-Karteca. 13,00€
Materialien Stratosphärenballong

Fallschirm und Wetterballon, sowie verscheidene Kleinteile konnte ich einfach bei Stratoflights.de beziehen, woher auch ein guter Teil meiner Infromationen stammen.
Das Helium kaufte ich im nächsten Hornbach und den Füllstutzen gleich mit. Hier fallen keinerlei sonst übliche Mieten für Flasche oder Stutzen an und der Preis war auch sehr gut. Flaschenpfand betrugen 125€.
Für die SIM-Karte des Smartphones entschied ich mich für das Tagesflat-Angebot von Congstar, die SIM des GPS-Senders wurde eine O2-Prepaid-Karte mit 5€. Neu kaufen war billiger als mit dem Mindestbetrag eine SIM aufzuladen.
Helium, Genehmigung, Ballon und Batterien (sicherheitshalber) sind Einweg-Artikel. Das kostet mich also jedes mal (wenn ich das wiederholen möchte) 301,00€. Den Rest im Gesamtwert von 284,00€ erwarte ich wiederzubekommen
Macht also einen Gesamtpreis von ca. 585,00€.

Füllmenge ohne Druckmesser/Manometer ermitteln

Ich habe keinen Druckmesser für die Heliumflasche. Der wär mir zu teuer. Wie kann ich also feststellen, dass ich die richtige Menge Helium in den Ballon fülle?
Mein erster Einfall war anhand des Umfangs des Ballons. Ich könnte eine leichte Schnur nehmen, und sobald diese nicht mehr über den Äquator des Ballons passt, ist es richtig. Umständlich und die Schnur muss auf wenige zentimeter genau sein. Hinzu kommt, dass es eine unbedingt nicht flexible Schnur sein müsste.
Der entscheidende Einfall kommt mir erst Tage später. Dabei ist er so einfach:
Da ich mich fürchte, dass der Ballon versehentlich losgelassen wird, bevor alles vorbereitet ist, möchte ich ihn mit einer einfachen Schnur an einem Gewicht am Boden fixieren. Ich muss nun nichts weiter tun, als ein zusätzliches Gewicht, welches dem gewünschten Auftrieb des Ballons entgegenwirkt an dieser Schnur festzubinden. Sobald dieses sich leicht anhebt, ist die gesuchte Füllmenge erreicht. Das Referenzgewicht muss also dem Gewicht der Sonde plus 50% entsprechen.
Besonders gut eignet sich hier eine Flasche mit Wasser.

Das Ergebnis

Es lief leider nicht alles nach Plan.
Am Vortag gab mein Backup-GPS-Gerät noch de Geist auf. Ich hatte versucht es mit einem Nicht-Original-Kabel zu laden und dabei offenbar die Ladeelektronik zerstört. Als Ersatz diente ein weiteres ausrangiertes Samsung Galaxy Y.
Das zusätzliche Gewicht und die Annahme, dass auch weniger wie +50% Sondengewicht als Maßgabe für den Auftrieb reichen würde, resultierte in einem ungeplant langsamen Aufstieg der Sonde (2,8 m/s).
Das führte zum einen dazu, dass der Landepunkt deutlich weiter entfernt sein würde aber auch, dass wir mehr Videomaterial bekommen würden.
Eine Wasserflasche als Referenzgewicht zu nutzen war anfänglich etwas mühsam, erwies sich jedoch als gute Idee.
Der Ballon in Kombination mit straff gezogenen Panzertape und zwei Knicken in der Öffnung waren absolut dicht.
Meine selbstprogrammierte App stürzte allerdings während der Reise in ca. 18.000m ab. Ein abgeschaltetest Natz hatte ich während den Tests ausprobiert. Offensichtlich gab es allerdings ein Problem, wenn das Gerät nach Netz suchte. Dies wird ein einem möglichen weiteren FLug korrigiert werden.
Eine App, welche mit mir via SMS kommunizieren sollte tat dies genau ein mal. Ich sendete dem Backupgerät während dem Flug eine SMS. Die bekam es beim wiedereintritt in das Mobilfunknetz (ca. 6000m Höhe) und sendete mir auch tatsächlich seinen Standort. Dannach beendete sich die App leider.
Netzempfang hatten beide Geräte nach der Landung nicht mehr. Der Grundgedanke meiner Eigenentwicklung hätte hier trotzdem zum Erfolg geführt.
Wir hatten durch die eine Rückmeldung in 6000m Höhe jedoch einen berechneten ungefähren Landeort und fuhren auf gut Glück einfach drauf los. Während wir unterwegs waren, erhielten wir eine SMS von jemandem, der die Sonde bereits gefunden hatte. Wir riefen an, ließen ihn die Sonde mitnehmen und änderten unsere Route zu seiner Adresse.
Wir hatten echt viel Glück gehabt. Die Sonde war zwar in der Nähe des berechneten Landeorts entdeckt worden, wir hätten sie vermutlich jedoch nicht gefunden.
Umso glücklicher waren wir, dass wir die Sonde trotzdem wiederhatten =)
Das die GPS-Geräte erfrieren würden bestätigte sich nicht. Die gesamte Sonde kam in dem gleichen Zustand zurück, wie wir sie hochgeschickt hatten. Natürlich ohne Ballon.
Es war eine gute Idee, zu den teuren empfohlenen Lithium-Batterien zu greifen. Wohingegen in den Tests billige Alkalinebatterien die Entladung der Geräte nur verzögern konnten hatten die Lithium-Batterien genug Kraft, sowohl GoPro, als auch Smartphone gleichzeitig mit jeder Menge Energie zu versorgen. Die GoPro lief noch 8h, nachdem wir sie gestartet hatten. Nur der Speicher war voll.

Was ich nächstes Mal besser machen würde

Ich würde den Start in einem militärischen Flugbeschränkungsgebiet (https://www.milais.org/) meiden, da dies ein zusätzlicher Problemfaktor und zusätzlichen Aufwand bedeutet.
Ich würde den Fehler in meiner App suchen und diesen korrigieren.
Ich würde ein TK102B wieder kaufen, aber nur mit dem beigelegten Kabel verwenden.
Ich würde etwas großzügiger mit dem Helium sein.